Tragend-massive Bauteile aus Naturstein

Tragende Massivbauteile - steinstarke Basis der Baukultur 2.0

Schon die Römer haben Naturstein als konstruktives Baumaterial eingesetzt. Damals folgte die Form den technischen Anforderungen, während heute die Ästhetik der Architektur fast immer im Vordergrund steht. Die Techniken, die man damals entwickelte, um diese Herausforderungen zu meistern, haben sich bewährt. Bis heute kann man beim Pont du Gard in Nîmes die riesigen, aus Naturstein gefertigten Aquädukt-Bögen bewundern, die seit über mehr als 2000 Jahren Tag für Tag ihre Stabilität beweisen. In der sich wandelnden und auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Baukultur nimmt man dieses uralte Wissen auf und entwickelt es weiter. Statt Naturstein weiterhin nur als Gestaltungselement einzusetzen, wird das Material in Form von tragenden, massiven Bauteilen verwendet – ein Mehrwert sowohl für die Architektur wie auch für unsere Umwelt.

Pont du Gard ist ein Beispiel unter vielen. Auch für andere tragende Gebäudeteile wie Mauerwerk, Pfeiler oder Gewölbedecken wurden in der Antike massive Naturwerksteine verwendet. Im Laufe der Industrialisierung ist dieses Wissen verloren gegangen. Anstelle der konstruktiven Bauweise mit Naturstein fokussierte sich die Architektur der Moderne auf neue Baumaterialien wie Stahl oder Beton. Weil diese Materialien in Kombination enorm hohe Zugspannungen aufnehmen können, verlor Naturstein seine klassische Funktion als tragendes Bauteil. Seit dieser Zeit wurde Naturstein zunehmend nur noch als visuell ansprechendes Dekorelement eingesetzt. Angesichts der sich akzentuierenden Klimakrise findet heute aber eine Rückbesinnung auf den natürlichen und nachhaltigen Baustoff statt: Die Bauwirtschaft, die heute für 38 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, hat nicht nur den ökologischen Mehrwert von Naturstein, sondern auch sein bautechnisches Potential wiederentdeckt.

Moderne Technik schafft vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten

Der Mehrwert dieser wiederentdeckten Bauweise liegt auf der Hand. Sowohl bei massiven Mauerwerken wie auch bei massiven Steinfassaden sind die Gestaltungsmöglichkeiten so groß wie nie zuvor. Dank der Tiefe der Natursteinfassaden können charaktervolle Strukturen und dreidimensionale Muster realisiert werden. Mittlerweile lassen sich mit Naturstein zudem auch Bauteile fertigen, die über eine hervorragende Biegezugfestigkeit verfügen. Dazu werden in den Zugzonen der Natursteinbauteile Bohrungen eingebracht, in welche Spannglieder aus Edelstahl integriert werden. Diese können mit einer vordefinierten Kraft vorgespannt werden, sodass die Natursteinbauteile in der Regel mindestens genauso schlank wie aus Beton ausgeführt werden können. Der uralte Baustoff ist wieder im Spiel.

Nachhaltiger Trend: Tragend-massive Bauteile aus Naturstein

Aufgrund beeindruckender bautechnischer Innovationen schaffen konstruktive Natursteinbauteile heute einen echten Mehrwert im Fassadenbau. Immer öfter werden Fassaden wieder als massive Mauerwerksfassaden ausgeführt. Dies ist nicht nur in vielen Fällen materialgerechter, sondern über die gesamte Lebensdauer der Fassade auch wirtschaftlicher. Ein Vorteil darüber hinaus ist, dass aus dem gleichen Naturstein massive, weit spannende Bauteile wie zum Beispiel Fensterstürze oder tragende Balken in die Fassade integriert werden können. Dabei lassen sich verschiedene Bauweisen gleichzeitig nutzen und die Vorteile der traditionellen Massivbauweise mit dem Prinzip der hinterlüfteten Fassade kombinieren. Anders als man vermuten könnte, sind laut aktuellen Studien die Kosten bei soliden Natursteinfassaden mittlerweile deutlich niedriger als wenn man ein vergleichbares Gebäude mit Betonbauteilen realisiert. Hinzu kommt die Tatsache, dass die CO2-Bilanz um bis zu 90 % besser ist, wenn Naturstein beim Gebäude eine tragende Rolle spielt.

Erweiterung Kloster Loccum – preisgekrönter Neubau mit massiver Sandsteinfassade

Bei der Erweiterung des mittelalterlichen Kloster Loccum, dem Preisträger des Deutschen Naturstein-Preises 2022, wurde Bucher Sandstein vom Bamberger Natursteinwerk verwendet. Nach den Plänen des Architekturbüros Pape + Pape wurde das bestehende Ensemble des mittelalterlichen Kloster Loccum um eine neue Bibliothek erweitert. Der geradlinige und zurückhaltende Neubau nimmt dabei nicht nur die Konturen der angrenzenden Klosterbauten auf, sondern bei der rauen Mauerwerksfassade mit maschinengespaltener Oberfläche aus Bucher Sandstein ebenso deren Materialität. So entsteht ein harmonisches Ganzes. Der auch als der gelbe Mainsandstein bekannte Sandstein, der seit vielen Jahrhunderten das Bamberger Altstadtbild prägt, wird aufgrund seiner guten technischen Eigenschaften sowie seiner Witterungsbeständigkeit für Fassaden als Mauerwerkskonstruktion ebenso wie für Steinmetz- und Bildhauerarbeiten sowie für den Garten- und Landschaftsbau verwendet. Wie viele andere in Massivbauweise realisierte Projekte zeigt auch dieses Beispiel: Wer mit Naturstein baut, schafft dauerhaft Zukunft.

 

Bildmotiv: Kloster Loccum
Architekt: pape + pape architekten
Naturstein: Bucher Sandstein
Foto: @maja_wirkus_architecture.photo